Andreas Lehner
​​​Künstler und Kurator
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Zu den Solo-Ausstellungen "Props" und "Life´s surprise guests"
OHO Offenes Kulturhaus Oberwart
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Erstaunliche Lebewesen scheinen aus dem Boden zu wachsen. Sie wirken - trotz aller Fremdartigkeit - wie skurrile Verwandte, die man nicht oft trifft, die aber doch zur Familie gehören. Verstärkt wird dieser Eindruck des „Altbekannten“ durch die Titel - besser gesagt die Namen - die die Künstlerin jedem einzelnen ihrer Werke gibt. Sie sind zwar zum größten Teil ebenfalls künstliche - also erfundene - Namen, könnten aber genau so gut aus der griechischen Antike stammen.
Vor allem die Arbeiten, die sie Props nennt, erinnern an antikes Theater: Inoome, Budophi, Haunin oder Mehornia heißen sie.
Wahrscheinlich sind es die biomorphen Formen, die Daniela Trinkl ihren Figuren gibt, die in uns das Gefühl aufkommen lassen, sie schon lange zu kennen.
Haben wir sie nicht schon irgendwo gesehen? In Science Fiction Filmen oder Dokumentationen über die Tiefsee? Nein, haben wir nicht – aber trotzdem beschleicht uns diese Ahnung des Vertrauten.
„Kunst ist, was ohnehin jeder weiß!“, befand der italienische Philosoph Ernesto Grassi. Wie passt dieser Satz in unsere Zeit der totalen, virtuellen Vernetzung?
Das Internet ist das Medium, das uns das Entfernte ganz nahe bringt. Und wenn man Daniela Trinkl nach künstlerischen Einflüssen fragt, dann sagt sie auch, dass es das Internet und dort vor allem Instagram ist, woraus sie Inspiration bezieht. Aber das Internet ist in seiner Beliebigkeit auch austauschbar - sehr schnell vergessen wir, was wir dort noch vor kurzem konsumiert haben.
Im Gegensatz zu Danielas Werk. Und hier zeigt sich die künstlerische Qualität ihrer Arbeiten. Sie werden noch lange ihre Spuren in den Synapsen hinterlassen, wer sich darauf einlässt, dem schreiben sie sich dauerhaft in die Erinnerungen ein.
Warum das so ist? Es scheint, als rühre Daniela Trinkl am Urgrund unserer menschlichen Existenz. So wecken ihre Wandobjekte Assoziationen an urzeitliche Masken, wie wir ihnen in unserer Region vielleicht noch in der Tradition der Perchtenläufe begegnen kann. Mystisch, geisterhaft, furchteinflößend, wild einerseits – und doch gleichzeitig frei, schrill und bunt! Vor allem haben sie eine fast sakrale Strenge und - das ist auch so eine hervorragende Qualität von Daniela Trinkls Arbeiten - sind dabei trotzdem humorvoll, ja witzig. Was ein unüberbrückbarer Widerspruch zu sein scheint - das löst sie mit der ihr eigenen Leichtigkeit konsequent auf.
Die Objekte könnten aber auch Protagonisten eines interstellaren Karnevals sein, bei dem sich Aliens aller möglicher Galaxien bei einem farbenfrohen Umzug begegnen. Und wir, mittendrin als Betrachter*innen, werden Teil dieses Pandämoniums? Wer will das schon mit Gewissheit sagen, ohne das Wesen der Kunst zu verkennen oder gar zu verraten?
Ernesto Grassi sagt dazu: »Allzu häufig wird heute vergessen, dass die Werke der Künste religiöser und metaphysischer Herkunft waren, was der gesamten Kunsttheorie von der Antike bis zur Renaissance noch gegenwärtig geblieben war. Ihr galt die Kunst niemals als Selbstzweck, sondern als Mittel, einer höheren Wirklichkeit teilhaft zu werden – eine Anschauung, die von der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten und bis weit in die Folgezeit fortwirkenden Kunstästhetik nahezu verschüttet wurde.«
Daniela Trinkl gehört zu den Künstler*innen, die um diese religiöse und metaphysische Herkunft weiß - dann aber den so wichtigen nächsten Schritt geht und ihre Werke an die zentralen Fragestellungen unserer Zeit heranführt.
Sie thematisiert ganz konkret die Frage nach unserem Umgang mit diesem Planeten. Ihre Kreaturen (im wahrsten Sinne des Wortes) sind Hybride, die aus der Kreuzung von Bioformen mit künstlichen Stoffen (etwa Plastikabfällen) entstanden sein könnten. Sie fasziniert uns mit den technischen Möglichkeiten, die uns moderne Technik bietet … und lässt uns vor ihnen erschauern. Daniela Trinkl stellt die Frage, ob wir Menschen tatsächlich – wie viele von uns glauben – die Spitze der Evolution darstellen? Ob wir gut daran tun - wie es in der Bibel als Auftrag formuliert ist – uns die Erde Untertan zu machen?
Die Künstlerin beantwortet solche Fragen nicht. Sie verweist uns vielmehr darauf, die oft schmerzliche Wahrheit in uns selbst zu finden.
Paula Marschalek
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Kulturmanagerin und Kunsthistorikerin
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Relics - Wie aus einer anderen Welt
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Daniela Trinkl hinterfragt in ihrer künstlerischen Praxis Themen der Ambiguität und des Rätselhaften und setzt sich intuitiv mit Materialien unserer Zeit auseinander. Fasziniert vom Objekthaften, dessen Zweck und Verwendung nicht unmittelbar erkennbar ist, entwickelt sie ihre skulpturalen Arbeiten. Diese sind von einer Vielschichtigkeit, einer Verwobenheit von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart geprägt und bieten Raum für eigene Assoziationen.
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Geheimnisvoll schweben abstrakte Formen vor einem schwarzen Hintergrund, treten durch ihr buntes, künstlich anmutendes Erscheinungsbild prägnant hervor und referieren so auf eine vielleicht bereits vergangene, unwiederbringliche oder kommende, noch nicht besuchte Welt. Die Entscheidung des zeitlichen Verweises lässt sich nicht ohne Weiteres treffen, ob Vergangenheit oder in der fernen Zukunft liegend, spielt letzten Endes weniger eine Rolle als die unabdingbare Distanz zum Referenzpunkt, der in der gegenwärtigen Welt als fremd, ja gewissermaßen mystisch, anmutet. Diese zeitliche Dimension der Objekte lässt einen breiten Interpretationspielraum zu, so könnten diese zum Beispiel archäologische Funde sein, eine mögliche Verwendung in rituellen Praktiken finden oder obskure Symbole einer anderen Welt darstellen, aufgeladen mit Geschichte und Handlung. Wie schon der Titel „Relics“ suggeriert, sind es Relikte, die die Frage aufwerfen, was gewesen war und was gewesen sein wird.
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Dies spiegelt sich auch in der Präsentationsform der Objekte wider. Die Künstlerin setzte sich hierfür eingehend mit Ausstellungstechniken auseinander und wählte schließlich eine Form, die im musealen Kontext, besonders in ethnographischen Institutionen, wie dem Weltmuseum Wien, Verwendung findet. So werden die 29 abstrakten, in ihrer Größe variierenden (max. 30 x 15 cm), zum Teil aus Verpackungsmaterial hergestellten Gegenstände auf Metallstifte vor einem dunklen Hintergrund fixiert, der als Kontrast zu der farblichen Vielfalt dient.Mit einer Gesamtgröße von 130 x 170 cm umfasst die Installation „Relics“ Objekte, die sich in Größe, Form, Farbe sowie Material unterscheiden. Bei der Herstellung einiger Formen greift Trinkl teils auf gesammeltes Verpackungsmaterial, das sie in ihrer Ästhetik, Textur und Haptik anspricht, zurück. Weiters verwendet sie so genannten Montage- oder Bauschaum, ein Material, das heutzutage vor allem im Bauwesen Einsatz findet. Sobald der Schaum austritt, entwickelt dieser ein eigenes Leben, lässt sich aber im trockenen Zustand gut zurechtschneiden und erinnert in seiner Porosität an Organisches. In einem weiteren Schritt versieht die Künstlerin die Formen mit Schnüren, zurechtgeschnittenen Müllsäcken sowie Tixo- oder Kreppklebebändern und lässt die so entstandenen Objekte zu Requisiten einer mystischen Welt werden. Mit diesen zeitgenössischen Materialien schafft Trinkl eine Verbindung und Verhaftung zum Hier und Jetzt. Die Abstraktion und Künstlichkeit der Objekte werden hierdurch unterstrichen und werfen die Frage der Symbolhaftigkeit sowie der Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion auf.
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Die Pluralität der montierten Objekte gibt dem Betrachtenden die Möglichkeit das Kunstwerk mannigfaltig zu deuten. Manche eröffnen durch ihr schwammartiges Erscheinungsbild vegetabile Assoziationen, andere wiederum lassen sich in ihrer Ausgestaltung in einem erotischen Kontext verorten. Vereinzelt werden eigene Motive aufgenommen, wie etwa Gedanken zur Metamorphose, die von einer Figur, die an einen vor kurzem entpuppten Schmetterling erinnert, spielerisch thematisiert wird.
Die Künstlerin sieht sich mit dem Material in eine Art Dialog treten, der Raum für Experimente zulässt sowie Faszination in ihr auslöst, und manifestiert durch die eingehende Beschäftigung, wie auch durch die Wiederholung in der Tätigkeit des Einwickelns, eine gewisse Mehrdeutigkeit. So testet sie Grenzen aus und öffnet einen Diskurs für weitere Auslegungen.
Außerdem entsteht durch das Einwickeln des Materials eine intransparente Schicht, die das Innenleben der Gegenstände umhüllt und versteckt. Der Kern der Sache ist nicht einsehbar und kann nicht ohne Weiteres identifiziert werden: er bleibt also fremd. Aus dieser Perspektive kristallisiert sich die Nähe der zeitlichen und materiellen Aspekte des Werks heraus, so verweisen sie auf ein uneinsichtiges, unzugängliches und obskures Inneres. Die in „Relics“ dargestellten Objekte bieten sich in ihrer Fremdheit als Relikte für ein kryptisches Moment an, das interpretativ von den Betrachtenden ausgelegt und nachgesetzt werden kann. Als Überbleibsel einer sowohl vergangenen oder kommenden Welt als auch in ihrer Materialität eröffnen die Gegenstände einerseits in ihrer archäologischen Distanz und andererseits materiellen Nähe zur Gegenwart einen Zugang auf die Fragestellungen, was gewesen war bzw. was gewesen sein wird in diesem Jetzt.
Maris Stella Liska
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Kunsthistorikerin
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DIE PIGNETTE
IM UNBEKANNTEN LIEGT DAS POTENZIAL DES FÜHLENS
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Bei den Pignetten scheint es sich um animierte Materie zu handeln, um die greifbare Wirklichkeit einer Erfahrung. Inspiriert ist die Künstlerin von zufälligen Funden, meist technischen Geräten, die eher als Randerscheinungen in einem urbanen, rastlosen Informationsfeld ihren Fokus auf sich ziehen. Dabei ist nicht die Begrifflichkeit oder Funktionalität des Objektes die Quelle für das Kunstwerk, sondern das entdeckte Ding wird zum Auslöser für eine lebendig-augenblickliche Erfahrung.
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Das ‚animistische Prinzip’ zum Verständnis der Objekte zeigt auch das Material mit dem Daniela Trinkl arbeitet: Steinzeug. Wie bei einem alchimistischen Prozess wird die Wahrnehmung auf das verwendete Material übertragen und (wieder)geformt, und dadurch verwandelt. Die Künstlerin taucht in den weichen Ton ein, arbeitet mit den Händen, sie formt und gestaltet Räume, sichtbare und verborgene. Die Bewegungen des eigenen Körpers übertragen sich auf die Materie mit der gearbeitet wird, während die Künstlerin den inhärenten Gesetzen des Materials folgt. Dabei tritt sie in eine Wechselbeziehung mit dem intuitiv entstehenden Objekt ein, das Subjekt und das Objekt verschmelzen miteinander.
Die auf diese Weise entstandenen Objekte bleiben offen, unnennbar, abstrakt, können sich im Raum in alle Richtungen ausdehnen. Ausgehend von den einzelnen Teilen wachsen die knollenartigen Gebilde wie ein Rhizom, ohne einen zentralen Anfangspunkt zu beanspruchen. Modulartig werden die einzelnen Objekte durch Schaltstellen miteinander verbunden, manchmal blähen sie sich in den knolligen Zentren zusammen und lassen die Membran beinahe aufplatzen, um dann wieder abrupt auszulaufen und ruhig dahinzufließen. Auch unter der harten Oberfläche des gebrannten Tons scheinen weiterhin vitale Kräfte zu wirken, welche eine rhythmische Bewegung nachempfinden lassen. Die Pignetten entziehen sich einer verbalen Interpretation, sie scheinen in einem Zwischenraum zu existieren, von wo aus wir sie in einem Zustand von entscheidender Unbestimmtheit erleben: sind sie nicht mehr oder doch noch nicht präsent?
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Die Artefakte ziehen uns in ihren Bann, da sie sich einer kategorischen Qualität entziehen, und gleichzeitig öffnen sie sich dadurch einer anderen – einer aktiven - Art der Kommunikation mit ihnen. Sogar der Name selbst spielt mit unserer Vorstellung einer Identität, denn er stellt seine eigene Funktion in Frage und bleibt suggestiv. Im Unbekannten liegt das Potenzial des Fühlens, das Nicht-Sichtbare wird zum Spiegel.
Agnes Deruma
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ARTIST SPOTLIGHT: DANIELA TRINKL
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Agnes Deruma talks with Daniela Trinkl about her project during her residency at PILOTENKUECHE Leipzig
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Daniela Trinkl is fascinated by boxes. For the Viennese-based ceramicist, this interest extends to boxes of any kind, but is heightened by reliquary shrines. She is interested in science fiction, animism and bringing life to inanimate entities. Daniela not only finds the craftmanship of these objects remarkable, but also the spiritual value that people assign to them. She firmly believes that there is a 5th incorporeal dimension that is present in every art piece, but is not yet directly observable.
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In Daniela's PILOTENKUECHE atelier I find almost embryo like shaped objects. They stand alone or are exhibited on the wall. And true to form, some can be found in liquid filled boxes, some submerged in a synthetic pink hued silicone and others in milky epoxy resin. It almost looks like a laboratory of a modern-day alchemist, where these creatures will soon come to life.
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To give birth to these objects Daniela plays with common natural materials such as clay and porcelain, as well as with man-made ones, bringing sci-fi aesthetics to the table. Contrary to reliquary shrines that carry memories from past lives, her creations might come from the future. One could say that they are living beings, but from a different world, perhaps like ambassadors of the 5th dimension.
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Her working approach is very organic, she starts by simply doing, thus inviting a flow of ideas and letting herself be guided and carried. She also mentions that the shape of an object does not always come in a visual form, it is almost as she can feel it within herself. It arrives from within, yet from somewhere outside. In her eyes, the artist functions almost as a medium, bringing something celestial to the world. In a way every art piece embodies an element, or a message hidden in a plain sight.
Daniela stresses the importance of symbiosis between an art piece and its consumers. In fact, the interaction with the audience is the most interesting part for her, regardless of the reaction or an absence thereof.
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Katja Schöwel
Kunsthistorikerin
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OPENING BOXES
VOM ÖFFNEN VON SCHACHTELN UND UNS SELBST
„Opening Boxes“ - Daniela Trinkl liefert mit diesen beiden Worten sowohl den Titel für ihre Werkreihe als auch die Beschreibung einer gerade stattfindenden Handlung. Schachteln werden geöffnet. Ein Universum an Möglichkeiten und Gedanken zu diesem Bild öffnet sich mit.
Es handelt sich bei besagten Arbeiten um Kombinationen von Objekten aus unterschiedlichen Materialien in zugehörigen Pappschachteln. Im jeweiligen Verbund von Innen und Außen formieren sich diese zum „Schachtelobjekt“.
In ihrer Gedankenwelt schickt die Künstlerin diese auf Reisen. Sie stellt sich vor, wie sie zu anderen Personen gelangen, unerwartet, nicht bestellt, wie sie dort einfach erscheinen. Als hätten sich die Schachtelobjekte ihre Empfänger selbst ausgewählt oder als seien sie gar einem unbewusst geäußerten, leisen Ruf dorthin gefolgt. Wie zugeflogene Vögel werden sie jetzt in Empfang genommen, betrachtet, wahrgenommen, geöffnet und schließlich auch beachtet und versorgt.
In dieser imaginierten Weiterführung finden die Schachtelobjekte einen gemeinsamen Abschluss. Zugleich schließt sich mit der Phantasie des Ankommens bei einem Empfänger auch auf formaler Ebene ein Kreis, denn das Material, aus dem Daniela Trinkl ihre Arbeiten fertigt, kam einst auf ähnliche Weise zu ihr. Mit der Post, nach Hause geliefert, als Schachtel und Hülle, mit Inhalt bestückt. Die Materialien im Innen und Außen der Schachtelobjekte sind sich ähnlich, alles hier ist aus dem Beiwerk des Versendens geschaffen. Verpackungs- und Dämmlösungen aus Papier, Bauschaum oder Luftpolster, Wellpappe und transparentes Klebeband formieren sich nun, jenseits funktionaler- in je neuer Form. Geknüllt, zurechtgeschnitten, angemalt, oder gebündelt. Die neuen Formen bilden Einheiten, die sich, sortiert in ihr je eigenes Gehäuse, durch Reihung und Wiederholung auszeichnen. Trotz Serialität beharrt dabei jede der Formen auf ihrer Individualität. Die Struktur ist gleich, der Unterschied liegt im Detail. Das massive Auftreten in der Formwiederholung macht ein Übergehen oder Nichtwahrnehmen ihrer Präsenz unmöglich.
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Verschlossene Päckchen und Pakete enthalten das haptisch – visuelle Erleben des Entpackens. Sie wecken Erinnerungen an bestimmte Feiertage, an Weihnachten oder an Geburtstage und stehen mit bestimmten Gefühlen in Zusammenhang. Solche reichen von Freude über das Erhaltene, über Neugier in Bezug auf den möglichen Inhalt bis hin zu der Konzentration in dem Moment, an dem die Distanz überwunden wird, um sich dem Inneren der verpackten Gabe zu widmen: Die sich lösende Anspannung im Moment des Öffnens der Schachtel. Dieses spezielle Gemisch erinnert an die Kindheit, in der die nicht alltägliche Wirkung des Erhaltens und Umgehens mit solchen Objekten besonderen starken Eindruck hinterlässt.
Üblicherweise endet die oben angesprochene Vorstellungsmaschinerie bezüglich möglicher Inhalte im Angesicht von Verpacktem dann, wenn die Hülle fällt, wenn das bis dahin Unbekannte ans Tageslicht kommt. Erkannt und zugeordnet sind alle Vorstellungen und möglicherweise auch Wünsche bezüglich des zuvor verschleierten Schachtelinnenlebens passé. Was vor uns liegt, begeistert, gefällt oder enttäuscht entsprechend der Tatsache, ob es uns passt, gewünscht war, gerade recht kommt oder eben nicht. Die Frage danach, wie es sich in unser alltägliches Leben einfügen lässt, ist dabei mit entscheidend. Bei Daniela Trinkls „Opening Boxes“ verhält es sich anders. Der in die Realität unseres Erlebens geholte Inhalt entzieht sich grundsätzlichen Zuordnungen.
Das Motiv der Kästen, Schachteln und Boxen beschäftigt Daniela Trinkl. Hierin findet sie mitunter Parallelwelten, die zu Bezugsquellen ihres Schaffens werden. Reliquienschreine etwa sind solche Orte. Diese präsentieren aus der Regel Gefallenes, das, was nicht mehr im Leben ist, aber auch nicht vergessen werden soll. Reliquien als totes Material benötigen Kunsthandwerk und Dekor, um sie unter alltäglichem totem Material hervorzuheben, um ihre außergewöhnliche Position in der Welt zu verdeutlichen und zu behaupten, die ihren weiteren Verbleib im Leben rechtfertigt. Der Schrein als der ihnen zugedachte Ort bildet den eigentlichen Rahmen, er dient der Zentrierung, welche die Realität in seinem Inneren dem Alltag enthebt, in dem sie sich sonst leicht verlieren könnte.
Der gleiche Kniff – hier wie dort. Ohne Kenntnis der Regeln des Umganges mit ihnen begegnen wir Reliquien wie „Opening Boxes“ ähnlich. Das, was dem einen Inbegriff von Verehrungswürdigem ist, gerät vielleicht in den Augen des Anderen zum Inbegriff von Skurrilität. Jenseits von Glaubens- und Verständnisfragen machen die Hüllen und Aufbereitungen jedoch unmissverständlich klar, dass man es bei den Objekten mit etwas Besonderem zu tun hat. Reliquienschreine und „Opening Boxes“ eint die Bandbreite und Mischverhältnisse aus Gefühlen, welche sie anstoßen. Diese führen dazu, das Präsentierte mit Sorgfalt und Vorsicht in Zusammenhang zu bringen, auch wenn das Objekt solchen Anlasses nicht zu begreifen ist. Beide eint darüber hinaus die Ambivalenz von Gefühlen, die zwischen Bewunderung und Distanznahme liegen.
Fremd und nicht zu kategorisieren bilden die „Opening Boxes“ portionierte Verunsicherungen. Man hat es mit gebündelten, abgezählten, platzfüllend eingesteckten und in ihr Papphaus gesetzten Elementen zu tun, die uns ratlos machen, da sie eine Menge Fragen und Befürchtungen aufwerfen. Zunächst die Frage danach, womit man es eigentlich zu tun hat. Sind es Dinge oder enthalten sie Leben? Dann eröffnet die augenscheinige Gleichförmigkeit im Inneren einer jeden Schachtel die Frage nach ihrem Anfang und ihrem Ende. Die Schachtelobjekte erwecken den Eindruck, Gebindegrößen einer potentiell viel größeren Population unbekannten Standortes vorzustellen. Der vermeintliche Ableger vor uns wirft so betrachtet Fragen auf: Wird er expandieren? Was führen diese Verunsicherer im Schilde? Gieren sie auf Erweiterung, darauf den Raum jenseits der engen Schachtel zu überfluten sobald diese erst einmal geöffnet ist? Schließlich ist das Motiv des neugierigen Öffnens unvertrauter Behältnisse bereits aus der Mythologie bekannt. Der Büchse der Pandora beispielsweise entfleuchen nicht weniger als alle Übel der Welt gemeinsam. Uneinholbar, endgültig. Menschen sind neugierig, es scheint eine schier unmögliche Sache, Schachteln verschlossen zu behalten. Auf diese Neugierde zählen auch die „Opening Boxes“.
Auch wenn die Schachteln und ihr Inhalt nicht die Weltherrschaft übernehmen, so übernehmen sie doch unser Denken. Sie stoßen es an, immer wieder, immer dann, wenn wir auf sie treffen, sie wiedersehen - und diese Denkanstöße haben das Potential, uns aus dem Alltag zu stoßen. Denn auch jenseits waghalsiger Interpretationen ist klar feststzustellen, dass das, was hier vorhanden ist, sich durch sein Entziehen und gleichzeitiges Aufdrängen, uns fremd und nah zugleich ist. Um die Verunsicherung im Angesicht von Unbekanntem zu lösen, setzt üblicherweise ein menschlicher Mechanismus ein, der uns aus der Betrachtung von Wolken vertraut ist: Das, was sich darbietet wird in Beziehung gesetzt mit Bekanntem, zu dem es Assoziationen auslöst. Es wird verglichen, zurechtgestutzt und eingegliedert. So wie die Wolken uns auf Dauer ganze Horden irdisch bekannter Formen vorführen, findet das Betrachterraster auch in den Inhalten der Schachteln reiche Ausbeute. Die Überschneidungen hier funktionieren am besten mit allerlei Organischem. Mit Wurzeln und Trieben, Eiern und Kokons, die den Assoziationsrahmen möglicher Expansion eröffnen. Und doch bleibt das, was in den Schachteln steckt, bei genauerer Betrachtung nichts davon. Jeder Bezugsrahmen ist instabil, keiner trägt, die Arbeiten sind sich selbst genug.
Von besonderer Bedeutung ist auch die von Daniela Trinkl imaginierte Art der Übermittlung ihrer Arbeiten an potenzielle Empfänger. Sie enstpricht der Geste des Schenkens, das vielschichtig ist. Der Erhalt von Gaben verbreitet vordergründig Neugier, Nervenkitzel und Wohlgefühl. Es gibt aber noch eine andere Seite, auf der der Erhalt von Geschenken zugleich mit einer Aufgabe verbunden ist. Geschenktes ist von Anderen uns Zugedachtes, in unsere Hände Überantwortetes. Es verhält sich als solches anders, als selbst erworbene Gegenstände. Jeder kennt die Verantwortung, die gerade bei weniger gelungenen Geschenken quälend werden kann, etwa dann, wenn wir ein nie geliebtes, geschenktes Ding unser Leben mit uns teilen lassen. Die Vorstellung, „Opening Boxes“ zu erhalten – erklärungslos und überraschend – öffnet imaginierte Szenarien ganz besonderer Art, in denen viele Faktoren zusammenkommen. Neben der Unmöglichkeit, sie funktional in den Alltag zu integrieren also zusätzlich der durch ihren Empfang als Geschenk ausgelöste Verantwortungsappell. Tatsächlich enthalten alle Kisten Objekte, die nach Fürsorge geradezu laut rufen. Die Schachteln selbst werden unter diesem Gesichtspunkt zu Brutstätten, Nestern, Bauchhöhlen. Denn die Eier, Kokons und aufwachsenden Triebe verweisen auf ihren vermeintlich aktuellen Status im Werden, auf ein im Prozess befindliches Hinarbeiten in Richtung künftigen Seins. Auch die Fragilität der Objekte macht klar, dass Vorsicht im Umgang mit ihnen zu walten hat. Wie kämen sie außerhalb ihrer Hülle und außerhalb des von uns eröffneten Schutzraumes zurecht? Was oben noch Ängste vor Übernahmeszenarien geschürt hat, kippt im Moment der Bewusstbarmachung von Schutzbedürftigkeit - „Opening Boxes“ werden zu Schützlingen.
Wiederkehrendes Thema innerhalb des Werkes Daniela Trinkls ist der Animismus. Menschheitsgeschichtlich ein uralter Zustand, den Westeuropäer spätestens mit der Aufklärung meinen ad acta gelegt zu haben, ist er als Denkweise weiterhin tief in uns angelegt und als Prinzip aus der Kindheit vertraut. Im animistischen Weltbild fehlt eine Vielzahl der Grenzen, die unsere vertraute Vorstellungswelt beherrschen. Jenseits des Sichtbaren gibt es hier Verbindungen. Zwischen Dingen und Lebewesen, Zuständen und Kategorien. Gegenstände leben, Denken und Fühlen kann Wirkung zeigen, Individuen kommunizieren auch über große Distanzen und ohne technische Hilfsmittel miteinander. Die animistische ist eine verbundene Welt, in der keine Klassifizierungen strikte Einheiten formen von all dem, was nebeneinander existiert. Das Öffnen der „Opening Boxes“ macht deutlich: Animistisches Denken ist uns nicht ganz entfremdet, sein Weg in unser Bewusstsein hat keine allzu große Distanz zu überwinden. Die Schachtelobjekte wecken animistische Assoziationen, formieren Schnittstellen zwischen unserem durch Vernunft und Logik strukturierten Alltag und ihrer eigenen Form der Existenz: Ihr nicht kategorisierbares Sein.
Das beschriebene Konglomerat gemischter Emotionen, in denen zusätzlich Konventionen greifen, sichert den Schachteln ihren Platz in unserem Leben. Als Störfaktoren stoßen diese nun, wann immer der Blick auf sie fällt, Gedankengänge an, die als geradezu subversiv zu betrachten sind. Denn hier geht es um nicht weniger als um die Frage nach der Rechtfertigung von Existenz an sich. Benötigt solche wirklich Sinn und Zweck als Legitimation? Die Schachtelobjekte führen uns anderes vor. Die reine Tatsache ihrer Existenz leitet ein Verhalten ihnen gegenüber ein, das von parasitär erworbener, an keine Bedingungen geknüpfte Fürsorge als Konsequenz des reinen Erhaltens der Schachteln und ihrer Bewusstmachung im Empfänger anschließt. Und so sind sie denn da, die „Opening Boxes“ und sie bleiben; behaupten hartnäckig ihren eigenen Raum, der zwar mit unserem in Verbindung getreten ist, jedoch stets ein abgeschlossener bleibt. Umso mehr, je deutlicher wir uns die unterschiedlichen Bedingungen ihrer und unserer Existenz bewusst machen.
Daniela Trinkl stellt mit ihren Schachtelobjekten etwas fragil und skurril exponiert in die Welt, das aus unverständlichen Sinnzusammenhängen zu stammen scheint. Diese Objekte pochen vehement auf ihre bedingungslose Existenz - und verweisen darin letztendlich auf unsere eigene.